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Das Geheimnis von Straß

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Das Geheimnis von Straß

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Abgelegen. Umgeben von Buchenwald. Ein Ort, der „Geheimlabor“ genannt wird – bis heute. Doch wer nach sensationellen Spuren sucht, sucht vergeblich. Das eigentliche Geheimnis von Straß liegt nicht in dem, was verborgen wurde, sondern in dem, was sich niemand mehr erinnert.

Inhaltsverzeichnis

Das Geheimnis von Straß – Mit Moos überwucherte Grundmauern mitten im Wald

Ein Mythos ohne Legende

„Das Geheimlabor Straß“ – dieser Titel geistert seit Jahren durch Foren, Gespräche und gelegentlich sogar Lokalzeitungen. Ein stillgelegtes Forschungsgelände mitten im Wald, Relikte aus der NS-Zeit, kaum Informationen.

Das reicht oft schon, um Gerüchte gedeihen zu lassen. Doch: Es gibt keine Stollen, keine unterirdischen Anlagen, keine Beweise für das, was man sich manchmal zusammenspinnt. Keine Spuren von Verschwörung, nicht einmal ein Hauch von Sensation. Was bleibt, ist eine Leerstelle – und genau die nährt die Fantasie.

Dabei war Straß sehr wohl ein Ort von Bedeutung. Nicht wegen dem, was sich hineinprojizieren lässt – sondern wegen dem, was hier tatsächlich erforscht wurde. Und das beginnt mit einer Institution, die früh in die Geschichte der deutschen Luftfahrt eingriff.

Von Adlershof in den Krieg

Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt – kurz DVL – wurde 1912 in Berlin-Adlershof gegründet. Ursprünglich als zivile Forschungsstätte gedacht, wandelte sich ihre Rolle mit dem Aufstieg des NS-Regimes grundlegend. Ab 1934 dem Reichsluftfahrtministerium unterstellt, entwickelte sich die DVL zur Schaltstelle militärischer Luftfahrtforschung. Einer ihrer hochspezialisierten Bereiche: die Entwicklung synthetischer Flugkraftstoffe für Höhenflugzeuge. Es ging um Additive, Mischungsverhältnisse, Hitzeresistenz – kurz: um Präzision in einem Element, das keine Fehler verzeiht.

Als die alliierten Luftangriffe auf Berlin ab 1942 zunahmen, wurde klar: Die Hauptstadt war kein Ort mehr für sensible Forschung. Die Antwort lautete Dezentralisierung – hinaus aufs Land, in den Schutz der Wälder, in die Randzonen des Reichs.

Das Geheimnis von Straß – Die Natur erobert sich die wenigen Betonreste zurück
Das Logo der Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft bis 1970 – Quelle: Wikipedia

Kriegsvorrat im Moos – das Tanklager Buchenberg

Noch bevor die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt ihren Fuß auf das Gelände setzte, war der Ort längst Teil militärischer Planung. Bereits 1934 gründete das Reichswirtschaftsministerium die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft – kurz Wifo. Ihr Auftrag: die Sicherstellung der Mineralölversorgung des Reiches. Zwischen Ober- und Unterhausen, tief im Wald am Floramoos, entstand eines ihrer größten Projekte: ein unterirdisches Tanklager mit dem Decknamen „Buchenberg“.

Ab 1935 wurden dafür über 150 Hektar Forstfläche gerodet, Baracken errichtet, Lagerplätze geschaffen. Eine Schmalspurbahn transportierte das Material von Straß durchs Moor – bis heute zeugt eine kleine Brücke vom Aufwand der Logistik. Schon 1938 gingen erste Tanks in Betrieb. In der Spitze verfügte das Gelände über eine Kapazität von 120.000 Kubikmetern Treibstoff. Auch ein Bombenangriff im April 1945 konnte die Infrastruktur nicht völlig zerstören. Teile der Anlage blieben intakt – einige unterirdische Tanks sind noch heute in Betrieb.

Das Geheimnis von Straß – mehr Fragment als Forschung

Erst ab 1942 wurde ein kleiner Bereich des Wifo-Geländes für Forschungszwecke der DVL erschlossen. Hier – am Rand des Tanklagers, wo heute ein moosbedeckter Betonrest im Wald steht – sollte unter Ausschluss der Öffentlichkeit an Kraftstoffmischungen und Flugbenzinen gearbeitet werden. Das Projekt blieb jedoch unvollendet. Die geplanten Laborbauten wurden nie fertiggestellt. Was geblieben ist, ist das, was man heute das „Geheimlabor Straß“ nennt.

Der Name wirkt größer als der Ort. Keine versteckten Bunkeranlagen, keine Verschwörungen – nur ein Fragment, ein Ansatz, eine Ruine. Doch gerade das macht seine Wirkung aus: Als Teil einer zersplitterten Geschichte, eingebettet in ein größeres Geflecht aus Logistik, Forschung und Kriegswirtschaft. Straß war nie ein Zentrum – aber ein Ort, an dem sich Spuren überlagern.

Das Geheimnis von Straß – Mit Moos überwucherte Grundmauern mitten im Wald
Das Geheimnis von Straß – Moosbewachsene Wände, an denen eigentlich eine Treppe entstehen sollte
Das Geheimnis von Straß – Verlassene Kellersäulen aus rohen Beton

Was bleibt – und was sich zeigen lässt

Wer heute den Weg nach Straß findet, steht vor einem Gelände, das kaum mehr spricht – und doch genug erzählt. Vom einstigen Geheimlabor Straß ist wenig erhalten. Ein Fundament im Unterholz. Mauerreste, von Moos überzogen. Eisenfragmente, eingefasst von Wurzelwerk. Keine Schilder, keine Hinweise – nur der Wald, der sich alles zurückholt. Und gerade darin liegt der Reiz.

Für die Lost-Place-Fotografie ist das Geheimlabor Straß kein Spektakel. Aber ein Ort mit Haltung. Die Spuren sind leise: Verwitterung, Verwachsung, die Geometrie von Stein auf Waldboden. Licht fällt durch das Blätterdach und trifft auf Reste technischer Vergangenheit. Man muss suchen – aber wer sucht, wird belohnt: mit Bildern, die nicht schreien, sondern flüstern. Kein Lost Place für den schnellen Klick, sondern einer für geduldige Augen und offene Fragen.

Das Geheimnis von Straß – Karge Betonfragmente im Wald
Das Geheimnis von Straß – Karge Betonfragmente im Wald

Vergessen, Verdrängen, Erinnern

In Deutschland sind Orte wie das Geheimlabor Straß keine Sehenswürdigkeiten. Sie stehen selten auf Schildern, werden kaum musealisiert. Vielleicht ist das Teil unseres Umgangs mit der Geschichte – ein Zögern zwischen Dokumentieren und Verdrängen. Wir sind ein Land, das gelernt hat, sich zu erinnern. Aber nicht immer zu erzählen.

Straß ist kein Denkmal. Und doch erinnert es – auf seine Weise. An Forschung im Schatten, an Krieg im Alltag, an Menschen, die in Apparaten dachten. Es ist ein Ort, der nicht laut wird. Aber wer stehen bleibt, wer schaut, wer fragt: der spürt, dass Vergangenheit nicht nur in Archiven liegt. Sondern im Laub, im Stein, im Schweigen eines Waldes.

„Was bleibt, ist nicht das Geheimnis – sondern unser Umgang damit.“

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