Das Flugfeld Brandis – ein Ort, dessen Geschichte von dramatischen Wendungen und militärischen Innovationen geprägt ist. Einst Schauplatz geheimer Flugversuche der deutschen Luftwaffe und später von der Roten Armee besetzt, erlebte es einige der aufregendsten Kapitel des Kalten Krieges.
Von riskanten Testflügen mit Raketenjägern bis hin zu einer spektakulären Bruchlandung einer MiG-15, die sogar die Aufmerksamkeit der CIA erregte – Brandis war weit mehr als nur ein strategischer Militärstützpunkt.
In diesem Artikel entdeckst Du die fast vergessenen Ereignisse, die sich hinter den verlassenen Gebäuden und alten Landebahnen verbergen, und tauchst ein in eine faszinierende Reise durch mehr als 70 Jahre bewegte Geschichte.
Inhaltsverzeichnis
In den tiefen Wäldern Sachsens
Es waren noch einmal sehr heiße Tage im September 2024, die mich zu einer kleinen Rundtour durch die Republik animierten. Neben privaten Terminen versuche ich stets, auch interessante fotografische Motive – vorzugsweise Lost Places – in eine solche Tour einzuplanen.
Bei einigen Recherchen im Vorfeld nach neuen Zielen stieß ich auf das ehemalige Flugfeld Brandis. Mitten in den tiefen Wäldern Sachsens liegt dieses längst vergessene Relikt der Vergangenheit: das verlassenes Flugfeld Brandis, das heute ein mystischer Lost Place ist.
Trotz der aktuellen Nutzung als Solarpark und Biogasanlage versprachen die Geo-Aufnahmen und zahlreiche Berichte reichlich Gebäude, die es zu erkunden galt. Damit war ein festes Ziel für diese Tour schon einmal gesetzt.
Die erste deutsche Blindflugschulen
Auch wenn das Flugfeld Brandis heute größtenteils anderweitig genutzt wird, hat es eine über 70-jährige Geschichte zu erzählen. Diese beginnt im Jahr 1934. Bis ins Folgejahr 1935 entstand hier die erste von insgesamt zwölf Blindflugschulen der Luftwaffe der deutschen Wehrmacht.
Blindflugschulen waren spezielle Einrichtungen, deren Absolventen für den Einsatz in Kampf-, Fernaufklärungs-, Nachtjagd- oder Seefliegerverbänden ausgebildet wurden. Die Ausbildungsrichtlinien für den Blind- bzw. Instrumentenflug wurden 1925 an der Deutschen Verkehrsfliegerschule in Berlin-Staaken aufgestellt – einer Tarnorganisation, die bereits in Zeiten der Weimarer Republik ausgebildete Piloten bereitstellte und ab 1933 dem geheimen Aufbau der deutschen Luftwaffe diente.
Neben dem Ausbildungsschwerpunkt diente das Flugfeld Brandis auch als Erprobungsplatz der Junkers AG in Dessau. Hier wurden unter anderem das Experimentalflugzeug Sack AS-6 sowie der neuartige Raketenjäger Me 163 getestet.
Ab Sommer 1943 waren zusätzlich verschiedene Verbände der deutschen Luftwaffe in Brandis stationiert, darunter die IV. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 5 (mit der Messerschmitt Bf 110C-7), die II. Gruppe des Kampfgeschwaders 1 (mit der Heinkel He 177A-3) sowie die I. und II. Gruppe des Jagdgeschwaders 400 (mit der Messerschmitt Me 163B-1).
Die Rote Armee auf dem Flugfeld Brandis
Dem vergleichsweise kurzen Aufenthalt der deutschen Luftwaffe von knapp elf Jahren folgte nun eine 47 Jahre dauernde Besetzung durch die Rote Armee. Wie an allen Standorten auf dem Territorium der ehemaligen DDR übernahm auch auf dem Flugfeld Brandis die Rote Armee das Kommando. Ab Sommer 1945 begann der kontinuierliche Wiederaufbau der Gebäude, die noch kurz vor Kriegsende von der USAAF bombardiert worden waren.
Ab Sommer 1945 erhielten die jeweiligen Truppenkommandeure in der russischen Besatzungszone durch den Befehl Nr. 1 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) Anweisungen zur Stationierung oder zum Abzug ihrer Kampftruppen. So auch die von Generaloberst M. J. Katukow befehligte 1. Garde-Panzerarmee, die im Großraum Sachsen ihren Stationierungsbefehl erhielt.
Weisungsgemäß bezogen die Truppenteile an vielen ehemaligen deutschen Militärstandorten Garnisonen und Kasernen, wobei sich die 1. Garde-Panzerbrigade in Brandis einquartierte.
Die Flieger kehren zurück
Für große Aufmerksamkeit sorgte im August 1951 die Beobachtung einer Bruchlandung im nahen Trebsen. Augenzeugenberichten zufolge flog das Flugzeug bereits in sehr geringer Höhe, verlor weiter an Höhe und berührte schließlich den Boden, wo es mit laufendem Triebwerk liegen blieb. In der Nähe eines Flugfeldes ein durchaus denkbares Szenario.
An Brisanz gewann der Vorfall jedoch nach der Identifizierung des Flugzeugs: einer MiG-15. Bereits im März 1946 hatten die Konstruktionsbüros Jakowlew und Mikojan-Gurewitsch den Auftrag erhalten, ein neues „reaktives“ Jagdflugzeug zu entwickeln.
Das Ergebnis war die MiG-15, ein Gegenentwurf zur amerikanischen F-86 Sabre. Zu jener Zeit war sie ein revolutionäres Flugzeugdesign und für eine gewisse Zeit der überlegene Jäger am Himmel, was sie im Koreakrieg eindrucksvoll bewies.
In Zeiten des Kalten Krieges löste eine solche Sichtung sofort Alarm in allen Informantennetzwerken aus – bis hin über den großen Teich. Bis heute ist der Bericht über den Vorfall bei der Central Intelligence Agency (CIA) in Washington archiviert. Sein Titel: „Bruchlandung einer MiG-15 bei Trebsen“.
Der Vorfall zeigt, dass das Flugfeld Brandis in der Zeit zwischen 1955 und 1961 hauptsächlich als Schulungs-, Test- und Ausweichflugplatz für strahlgetriebene Jagdflugzeuge diente.
Die ersten aktiven fliegenden Einheiten waren Jagdflieger- und Schlachtfliegerregimenter mit Jak-9- und Il-10-Propellermaschinen. Die Stationierung eines MiG-15-Geschwaders (31. Gw IAP) auf dem Flugfeld Brandis ist hingegen nicht gesichert.
Während der gesamten russischen Besatzungszeit drang nur wenig über das Aerodrom Brandis an die Öffentlichkeit. Ab etwa 1960 begann der kontinuierliche Ausbau der Infrastruktur: Die Start- und Landebahn wurde verlängert, eine Vorstartlinie sowie neue Rollwege wurden angelegt.
In den Folgejahren, bis in die späten 1970er Jahre, wechselten zudem verschiedene Hubschraubereinheiten, die die neu geschaffene Infrastruktur auf dem Flugfeld Brandis nutzten. Im Zuge der ständigen Erweiterung entstanden auch die noch heute vorhandenen Wohngebäude für die stationierten Militärangehörigen.
Mitte der 1980er Jahre wurde aufgrund der Neustationierung des 357. selbständigen Schlachtfliegerregiments die Vorstartlinie erneuert und offene Splitterschutzbauten für die Flugzeuge errichtet. Die letzten aktiven Einheiten waren das 357. selbständige Schlachtfliegerregiment (Su-25) und das 485. selbständige Hubschrauberregiment (Mi-8 und Mi-24).
Bis zum Sommer 1992 erfolgte der vollständige Abzug aller noch vorhandenen russischen Einheiten aus Brandis, und das Gelände wurde an Deutschland übergeben. Ein 47 Jahre dauernde Besatzung fand sein Ende.
Unterm Strich
Das Flugfeld Brandis hat seine aktiven Zeiten längst hinter sich, doch seine Geschichte bleibt lebendig – in den stillen Ruinen und vielen Erzählungen, die sich um diesen Ort ranken.
Von den ersten Flugschulen der Luftwaffe über geheime Tests und dramatische Bruchlandungen bis hin zur jahrzehntelangen Besetzung durch die Rote Armee: Jede Epoche hat ihre Spuren hinterlassen.
Verschlägt es Dich in naher Zukunft nach Brandis erwartet Dich ein sagenhafter Lost Place, auf dem einst Geschichte geschrieben wurde. In diesem Sinne liebe Freunde – erfolgreiche Photojagt!
Copyvermerk:
*https://lib.byu.edu/collections/german-maps/ – German Maps (Topographische Karte 1:25,000)
** https://de.wikipedia.org/wiki/Mikojan-Gurewitsch_MiG-15