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Das Panoramamuseum auf dem Schlachtberg

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Das Panoramamuseum auf dem Schlachtberg

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Das Reisen an sich war schon immer eine persönliche Horizonterweiterung und dazu muss man nicht die hintersten Winkel dieser Welt bereisen. Ein Ausflug hierzulande kann in vielerlei Hinsicht auch sehr inspirierend sein.

Genau aus diesem Grund verschlug es mich in den ersten Herbsttagen noch einmal Richtung Süden. Nebst ein paar privater Termine stand auch eine anständige Portion kultureller Input auf dem Zettel. Für einen ganzen Tag ging es dazu ins nahegelegene Küffhäusergebirge, unter anderem in das Panoramamuseum auf dem Schlachtberg.

Inhaltsverzeichnis

Das Panoramamuseum auf dem Schlachtberg

Allgemein bekannt ist, dass Stillstand den „Tod“ (im übertragenen Sinn) bedeutet. Daher empfiehlt es sich, jede Gelegenheit zu nutzen, die diesem Zustand entgegenwirkt. Dazu gehört auch, gelegentlich seine Perspektiven zu ändern und neue Impulse aufzunehmen.

Wie Julia Cameron in ihrem Buch beschreibt, ist es für ein erfülltes und kreatives Leben nicht nur wichtig, negative Gedanken loszulassen, sondern auch offen für neue Erfahrungen zu sein.

Das Panoramamuseum auf dem Schlachtberg
Der Haupteingang zum Panoramamuseum auf dem Schlachtberg

Getreu diesem Ansatz stand nach langer Zeit mal wieder ein Museumsbesuch auf dem Plan – doch diesmal sollte es ein Besuch der besonderen Art werden. Nicht das klassische Museum, wie man es kennt, sondern ein Haus, das sich ganz einem einzigen Gemälde widmet.

Das Panoramamuseum auf dem Schlachtberg nahe Bad Frankenhausen macht dies möglich. Speziell für dieses Werk geschaffen, geriet es jedoch nach seiner offiziellen Eröffnung im September 1989 etwas in Vergessenheit. Die Folgejahre der deutschen Wiedervereinigung ließen das Museum und seine bemerkenswerte Geschichte in einen vorübergehenden „Dämmerschlaf“ versinken.

Die Sixtina des Nordens

Anfang der 1970er-Jahre beschloss die sozialistische Staatsführung der DDR, auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen eine Gedenkstätte für den Deutschen Bauernkrieg zu errichten.

Geplant war ein monumentales Schlachtenpanorama nach dem Vorbild des Moskauer Borodino-Museums. Dieses sollte die Thüringer Aufstände unter der Führung von Thomas Müntzer im Mai 1525 als historisches Großereignis darstellen.

Das gesamte Gebäude wurde als „Leinwand“ konzipiert und entstand relativ zügig in den Jahren zwischen 1974 und 1976.

Umstrittener Querdenker

Werner Tübke war nicht die erste Wahl für dieses ehrgeizige Projekt, galt er doch in den Augen der Staatsführung als umstrittener Künstler und unbequemer Querdenker. Erst in zweiter Instanz wurde ihm 1976 die Ausführung des Panoramagemäldes anvertraut – jedoch unter einer entscheidenden Bedingung, die er selbst stellte: Er verlangte völlige künstlerische Freiheit bei der Konzeption und Umsetzung.

Anstatt die vom Staat propagierte „Geschichte der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland“ zu illustrieren, legte Tübke den Fokus auf die Malerei selbst und vermied eine Festlegung auf eine einzelne narrative Aussage.

Damit entkoppelte er das Kunstwerk von ideologischen Zwängen und schuf ein vielschichtiges, nahezu zeitloses Werk, das eher als ein „Kosmos der Menschheit“ interpretiert werden kann.

Bildausschnitt von Tübkes Hauptwerk im Panoramamuseum auf dem Schlachtberg
Bildausschnitt von Tübkes Hauptwerk im Panoramamuseum auf dem Schlachtberg

Intensive Vorarbeiten

Zwischen 1976 und 1979 widmete sich Tübke einer intensiven Recherche und studierte umfangreiche Fachliteratur zum Deutschen Bauernkrieg. In dieser Zeit entstanden rund 150 Zeichnungen, mehrere Lithografien und zehn Gemälde, die sich mit dem Thema auseinandersetzten.

Seine Vorstudien orientierten sich stark an Gemälden und Kupferstichen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, was seinem späteren Werk eine beeindruckende historische Authentizität verlieh.

Auf Basis dieser Studien entwickelte Tübke zwischen 1977 und 1981 in einem Leipziger Großatelier ein Modell des Panoramagemäldes im Maßstab 1:10. Bereits 1981 wurde das unvollendete Modell von einer Kommission begutachtet und schließlich genehmigt.

Technische Meisterleistung

Im Sommer 1982 begannen die Vorbereitungen für das monumentale Gemälde. Der technische Aufwand war enorm. Dietrich Wenzel und Helmut Felix Heinrichs übertrugen zunächst die Konturen aller Bildmotive auf zwölf riesige Folienplanen.

Mithilfe eines speziellen Kontaktabzugsverfahrens wurden diese Konturen auf Fotopapier entwickelt und anschließend in 900 Einzelquadrate mit einer Seitenlänge von 13,6 cm zerlegt.

Eine besondere Herausforderung stellte die 14 Meter hohe und 123 Meter lange Leinwand dar, die in einem Stück gewebt werden musste. Diese Aufgabe übernahm das sowjetische Textilkombinat in Sursk, da eine derartige Herstellung in der DDR nicht möglich war.

Im Frühjahr 1982 begannen die Vorarbeiten für den Malgrund. Der Frankenhäuser Sattlermeister Günter Hohlstamm schnitt die Leinwand auf das notwendige Maß zu und versah sie mit Befestigungsösen.

Bis Ende des Jahres erhielt die Leinwand eine fünffache Grundierung, die von Spezialisten aus Podolsk (Sowjetunion) aufgetragen wurde.

Malerische Umsetzung

In den folgenden Monaten übertrugen Tübkes Helfer mithilfe von Episkopen die Konturzeichnungen abschnittsweise in zehnfacher Vergrößerung auf die Leinwand. Diese methodische Vorgehensweise ermöglichte es, die komplexen Details und die künstlerische Vision Tübkes präzise auf die riesige Leinwand umzusetzen.

Die Personalie Werner Tübke

Werner Tübke (1929–2004) gilt als einer der bedeutendsten Maler der DDR und prägte die Kunstszene weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Seine Arbeiten sind geprägt von einem außergewöhnlichen Detailreichtum, meisterlicher Technik und einer tiefen Auseinandersetzung mit historischen Themen.

Tübkes Stil lässt sich als eine Synthese aus Spätmittelalter, Renaissance und moderner Malerei beschreiben, wodurch er eine einzigartige Bildsprache entwickelte. Das Panoramagemälde in Bad Frankenhausen, das oft als „Sixtina des Nordens“ bezeichnet wird, ist sein Hauptwerk und eines der größten Rundgemälde der Welt.

Es umfasst 1.722 Quadratmeter und zeigt über 3.000 Figuren – ein beeindruckendes Zeugnis seines Könnens und seiner künstlerischen Vision.

Bildausschnitt von Tübkes Hauptwerk im Panoramamuseum auf dem Schlachtberg
Bildausschnitt von Tübkes Hauptwerk im Panoramamuseum auf dem Schlachtberg
Und, welche Persönlichkeiten erkennst Du auf diesem Bildausschnitt?
Am Haupteingang des Panoramamuseums auf dem Schlachtberg empfangen dich Bronzeplastiken von Lotta Blokker
Vor dem Eingang empfangen Dich Bronzeplastiken von Lotta Blokker

Mehr als einen Besuch …

Ich muss ehrlich zugeben, es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich die Komplexität dieses Werkes wirklich erfassen konnte. Beim ersten Besuch der großen Halle im Panoramamuseum überwältigt einen förmlich die schiere Größe des Bildes. Man dreht sich einmal um die eigene Achse – und befindet sich immer noch mitten im selben Bild. Es ist schlichtweg beeindruckend.

Ich habe mich schließlich auf einen der zahlreichen Sitzplätze niedergelassen und versucht, die unzähligen Details und Personengruppen zu erfassen. Stück für Stück arbeitete ich mich durch das äußerst detailreiche Gesamtbild. Dabei wird schnell klar: Zu Beginn nimmt man nur vage einzelne Bereiche wahr – geschweige denn die Gesamtheit des Werkes.

Es ist in jedem Fall empfehlenswert, eine Führung zu buchen, um überhaupt einen ersten fundierten Einblick in Tübkes Werk zu erhalten. Die vielen einzelnen Szenen spiegeln ein getreues Abbild der damaligen Zeit wider, verborgen hinter Symbolik und den künstlerischen Ausdrucksformen jener Epoche. Man ist dankbar für den „roten Faden“, den die Expertin während der Tour liefert.

Um das Werk in seiner vollen Tiefe zu erfassen, benötigt es jedoch weit mehr als nur einen Besuch.

Unterm Strich

Ein Museumsbesuch dieser Art ist ein Erlebnis, das weit über die Betrachtung eines gewöhnlichen Kunstwerks hinausgeht. Das Panoramamuseum in Bad Frankenhausen bietet die Möglichkeit, in die Geschichte einzutauchen, Kunst in monumentalem Maßstab zu erleben und die Komplexität eines der größten Rundgemälde der Welt zu erfassen.

Werner Tübkes Meisterwerk fordert dazu auf, innezuhalten, Details zu entdecken und die Vielfalt menschlicher Schicksale, Konflikte und Visionen zu reflektieren. Wer das Museum besucht, wird nicht nur von der Größe und technischen Perfektion beeindruckt sein, sondern auch von der Tiefe und Vielschichtigkeit des Dargestellten.

Es ist eine Reise in eine vergangene Epoche und gleichzeitig eine Einladung, über universelle Themen wie Freiheit, Macht und die Rolle des Einzelnen in der Geschichte nachzudenken.

Öffnungszeiten

Das Panoramamuseum auf dem Schlachtberg
Di. bis So. 10.00 – 17.00 Uhr
feiertags 10.00 – 17.00 Uhr
31. Dezember, 10.00 – 15.00 Uhr
24. Dezember geschlossen

Eintrittspreise:
ab 9,50 € (Erwachsener)

Führungen:
April bis Oktober
samstags, sonntags, feiertags
12.00 u. 14.00 Uhr

Lassen Dich von der „Sixtina des Nordens“ inspirieren – denn kein Bericht, keine Fotografie und keine Erzählung können die eindrucksvolle Atmosphäre und den Zauber dieses Ortes ersetzen. Machen Dir selbst ein Bild und tauchen Sie ein in ein Kunstwerk, das seinesgleichen sucht.

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