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Die Flieger- Versuchs- und Lehranstalt Rechlin

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Die Flieger- Versuchs- und Lehranstalt Rechlin

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Nach einer doch etwas längeren Abstinenz vom Urban Exploration ging es die Tage mal wieder an einen geschichtsträchtigen Lost Place. Der Ort stand schon eine ganze Weile auf meiner Liste aber irgendwie wollte sich kein passender Termin finden.

Mit den wahrscheinlich letzten schönen Tagen in diesem Spätsommer habe ich mich aber nun aufgemacht. Nicht mal eine Stunde Autofahrt von meinem Standort entfernt und man befindet sich inmitten der ehemaligen Flieger- Versuchs- und Lehranstalt Rechlin – Lärz.

Inhaltsverzeichnis

Der Standort Rechlin

Wenn wir über die Flieger- Versuchs- und Lehranstalt Rechlin-Lärz reden beschreibt dies nicht einen einzelnen Standort. Wir reden hier über ein ca. 190 ha großes Areal, dass die heutigen Orte Vietzen und Rechlin, das Flugfeld Lärz sowie mittlerweile große Waldflächen bis hoch nach Roggentin, dem Arboretum Erbsland, einschließt.

Bulli Herman am ersten Standort der Tour

Allerding wird man von der einstigen E-Stelle Rechlin nur noch wenig vorfinden. Nach 1945 demontierten die Besatzer die komplette Anlage. Nichts sollte mehr an die ehemals größte Erprobungsstelle der deutschen Luftwaffe erinnern.

Nähert man sich dem Gebiet erinnern die alten Backsteinhäuser in Rechlin Nord noch ein wenig an die alte „Meistersiedlung“. Ab 1933 schuf man hier den Wohnraum für die Familien der hier stationierten Offiziere und Ingenieure.

Auf dem Gebiet der Gruppe West

Etwas außerhalb von Rechlin Nord befindet sich einer der letzten, verfallenden Standorte, die meine erste Station auf dieser Tour sein sollte. Geografisch befinden wir uns auf dem ehemaligen Gebiet der „Gruppe West“. Hier entstanden im Zuge des Ausbaus um 1934/35 die Luftnachrichtenstelle, Kasernenblöcke, Offiziersunterkünfte und Wirtschaftsgebäude.

Der Zahn der Zeit

Die derzeit noch existierenden Gebäude lassen vermuten, dass es sich um Kasernen- oder Verwaltungsgebäude gehandelt haben muss. Die angrenzende Halle, die allerdings komplett zusammengefallen ist, könnte die ehemalige Lehrwerkstatt gewesen sein.

Wie bei vielen verlassenen Objekten, die frei zugänglich sind, kann man das massive Ausmaß der Zerstörung und des Vandalismus sehen. Zudem nagt der Zahn der Zeit an ihnen. Die ersten Dachstühle versagen ihren Dienst, was zwar photografisch interessante Motive liefert, aber auch eine Begehung um so gefährlicher macht.

Zerstörter Dachträger einer großen Werkshalle

Wie vermutet, boten die er funktional angelegten Gebäude kaum interessante Motive. Die gesamten Innenräume und Gänge sind komplett geräumt.

Ein Bild, dass ich von anderen Objekten bereits kenne und was die Suche nach außergewöhnlichen Motiven nicht gerade einfach gestaltet. In diesem Fall boten die Obergeschosse und verfallenden Dachstühle noch die beste Photoausbeute an diesem Lost Place.

Ein Blick zurück

Der Standort Rechlin rückte bereits um 1916 in den Focus des Deutschen Kriegsministeriums. Im Zuge des Ersten Weltkrieges erkannt man schnell die Notwendigkeit einer Erprobungsstelle für Flugzeuge und Ausrüstung.

…eine filmreife Kulisse unter dem Dachstuhl

Die Anfänge 1916-18

Von den ersten Absichtserklärungen der Heeresverwaltung über die Schaffung flugtechnischer Anlagen am Müritzsee im Nov. 1916 vergingen noch über 1 ½ Jahre bis zur Eröffnung im August 1918.

Zum damaligen Zeitpunkt umfasste die Anlage die „Flugzeugabteilung Rechlin“, eine „Motorenabteilung Roggentin“ und eine „Flieger-Funker-Versuchsabteilung Lärz“.

Im September 1918 standen auch die Pläne für die erste Eisenbeton-Flugzeughalle. Mit dem Kriegsende im November 1918 und dem Inkrafttreten des Verssailler Vertrages wurde Deutschland jegliche Fliegerei untersagt, was auch das vorläufige Aus für die Flieger- Versuchs- und Lehranstalt Rechlin bedeutete.

1933-45

Ab 1933 beginnt der zügige Ausbau der deutschen Luftwaffe und der dazugehörigen Luftfahrtindustrie. Zu diesem Zeitpunkt fließen riesige Geldmittel für den Wiederaufbau in den Standort Rechlin.

Bereits Ende der zwanziger Jahre wurde teils unter falschen Vorgaben der Ausbau vorangetrieben. 1929 wurde in diesem Zuge die „Junkerhalle“ fertiggestellt. Ab 1930 folgten Planungen für einen Motorenprüfstand in Rechlin.

Blick auf einen maroden Teil des Daches

In den Folgejahren nach 1933 erfolgte dann der kontinuierliche Ausbau der E-Stelle Rechlin. Um einen fast runden Grasplatz formierten sich vier große Gebäudegruppen, die das Bild der E-Stelle Rechlin prägen sollte.

Mit der Gruppe Nord entstand die komplette Verwaltung sowie zahlreiche Labore. Im Süden (Gruppe Süd) forschte die Motorenerprobung. Die Gruppe Ost beherbergte Munition und Waffen während die Gruppe West die technischen Kompanien unterhielt.

Die gesamte E-Stelle Rechlin war darauf ausgelegt die Gebrauchsfähigkeit von Fluggeräten und Ausrüstungen festzustellen sowie Musterprüfungen an neuen Flugzeugtypen durchgeführt.

So fand hier 1939 die ersten Testläufe der Welt mit dem Strahlflugzeug Heinkel He 178 statt. Viele der hier gemachten Untersuchungen und Entwicklungen fanden später den Weg in die Luftfahrtechnik.

Endlose Flure…

Unter anderem verschiedene Fallschirme, Daumenschalter, neue Funkmesstechniken, der Autopilot, Seenotrettung sowie das Rechliner Kaltstartverfahren. Mit der Erprobung des zweistrahligen Düsenflugzeugs Heinkel He 280 V1 kam es im Januar 1943 zum ersten Schleudersitzausschuss der Luftfahrtgeschichte.

Nachkriegszeit ab 1945

Diese Episode beginnt wie bei allen anderen Objekten auf dem Gelände der ehemaligen DDR mit der Besetzung durch die Rote Armee. Brauchbares wurde demontiert und in die damalige UdSSR verbracht. Die örtliche Infrastruktur wurde dann für eigene militärische Zwecke weiter genutzt.

Fast unbegehbare Treppen ins Obergeschoss

Speziell die Betonstartbahn in Lärz brachte zum einen die Stationierung eines Jagdbombergeschwaders und später zusätzlich eines Hubschraubergeschwaders mit sich.

Im März 1993 verließ das 19. Jagdbomberregiment den Flugplatz Lärz, der dann ab 1994 wieder zur zivilen Luftfahrt genutzt wurde.

Die „weißen Häuser“ von Rechlin

Die erste Begehung hatte nicht allzu viel Zeit in Anspruch genommen, daher entschloss ich mich kurz Hand noch einen zweiten Spot an diesem Tag anzufahren, besser gesagt zu suchen.

Denn, bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur eine vage Vermutung über die genaue Lage der „weißen Häuser“. Über eine Satellitenaufnahme konnte ich den Standort relativ gut auf das Arboretum Erbsland Gebiet eingrenzen.

Der Marsch dorthin sollte dann doch noch zu einer kleinen Herausforderung werden. Mit den heutigen Mitteln und Möglichkeiten und ein wenig Orientierungssinn ist es eigentlich kein Problem auf und mit einer passenden Karte (digital) zu navigieren.

Die Natur erobert das Gebiet zurück…

Meinen kleinen Marsch startete ich von Granzow aus. Bepackt mit der nötigen Photoausrüstung ging es erst mal frohen Mutes rein in das Waldgebiet. Die ersten 1 ½ Kilometer ein schlichter Sandweg und rund um nur triste Kiefern Monokultur.

Durch den bedeckten Himmel wirkte die Kulisse um so trostloser. Ein erstes Gatter mit Laubgehölzen lies dann an den einstigen Gedanken des Mecklenburg-Strelitzer Oberförster Friedrich Scharenberg erinnern, der ab 1887 eine massive Aufforstung dieser Gegend veranlasst hat.

Übrigens, ist dies die älteste forstwirtschaftliche Versuchsfläche in Deutschland. Derzeit sollen noch an die 30 ausländische, auch außereuropäischen Baumarten hier zu finden sein.

Allerdings hatte ich ein anderes Ziel und so es ging immer weiter in den Wald. Die teils als Wanderwege ausgegebenen Spuren kreuzten sich regelmäßig und mit viel Glück sah man in der Ferne ein Radfahren im Dickicht. Bei einer größeren Gablung war es auch mal Zeit meinen Standort zu aktualisieren.

Einer der kleineren Türme
Steinernes Monument aus Beton und Stahl

Ja, hätt ich gerne gemacht. Narda, absolut kein Internet in der ganzen Gegend! Willkommen in Mecklenburg. Aber, wie bemerkte es doch einer unserer kompetenten Politiker einst: „Es ist nicht nötig das in MV an jeder Milchkanne Internet vorhanden ist!“

Da stand ich nun mit meinem Glück mitten im Wald, egal erst mal weiter… Tatsächlich konnte ich auf einer der nächsten Lichtungen dann doch noch ein paar „Strahlen“ Internet erhaschen (1 Balken E) was zumindest den Vorzug einer längeren Pause mit sich brachte.

Glücklicherweise war ich allein hier, denn vermutlich sah es sehr komisch aus, als ich mitten auf der Lichtung mit dem Handy in der Luft rumgefuchtelt habe. Hatte bestimmt was von einem filmreifen Auftritt ala „Hollywood Katastrophen Drama“…

Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, hat sich die Karte auch mal aktualisiert. Und siehe da ich war nur einen Querweg von meinem Ziel entfernt. Soviel Glück muss der Mensch haben denn noch so eine Hampelnummer hätte ich mir nicht angetan.

War dann aber egal, wenn man erst mal in der richtigen Parzelle ist, dann offenbaren sich die „weißen Häuser“ von ganz allein. Allerdings nicht, weil sie tatsächlich weiß sind. Man vermutet, dass der Name aus der Erbauungsphase stammt, in der die heutigen Betonblöcke noch mit einer hellen oder weißen Ziegelfassade verkleidet waren.

Stiller Zeitzeuge…
Das sollte man unbedingt ernst nehmen!

So sehr wie auf dem Weg dorthin auf „munitionsverseuchtes Gebiet“ hingewiesen wird, so spartanisch ist dann auch mal die Absperrung direkt um die Türme. Das Problem sind auch weniger die Türme, sondern die möglichen Überbleibsel von Blindgänger mitten im Wald.

Ein kleiner Trampelpfad führt Dich einmal rund um die Betonblöcke, eigentlich nichts Spektakuläres. In die Türme rein kommt man schon lange nicht mehr, da sie nach einem Unfall zugemauert wurden. Viel Aufregendes im Innenraum hätten sie wahrscheinlich auch nicht zu bieten. Man vermutet, dass die gesamte Konstruktion einerseits „Prototypen“ für neuartige Betonbauten (zivile Bauten, Treppenhäuser, o.ä.) waren.

Auf der anderen Seite teste man aber auch neue Bomben auf ihre Durchschlagskraft und Wirkung an den Gebäuden. Diese Theorie liegt nahe, wenn man die Lage des Standortes berücksichtigt. Heute würde man das eine Win Win Situation nennen. Unweit der Türme findet sich noch eine weitere, dicke Betonwand mitten im Dickicht, die diese Theorie stützt.

Von der einen Seite sieht man den zerberstenden Beton nach einem Bombentreffer(kein voller Durchschlag). Dies war ein Versuchsaufbau des Waffenherstellers Rheinmetall. Getestet wurde ein neues Beschussverfahren um die Durchschlagskraft von Sprengbomben zu bestimmen, so liest man. Die ganze Szenerie wirkt wie eingefroren.

Trümmerreste am Fuß der Türme

Über den wirklichen Zweck der „weißen Häuser“ wird in den Quellen viel spekuliert. Was man am Standort vorfindet, spricht eine eindeutigere Sprache und lässt die o.g. Theorie als sehr wahrscheinlich erscheinen.

Unterm Strich…

…war es eine produktive Tour ins Mecklenburger Land. Ein herrlicher Tag Outdoor an einem Lost Place. Ich hatte die Gelegenheit, an zwei geschichtsträchtigen Standorten erstklassige Photostrecken aufzunehmen.

Die Photoausbeute war nicht die Größte, aber ich denke, ein paar aufregende Motive gefunden zu haben. Lass dazu gerne mal einen Kommentar da, es würde mich freuen.

Quellen: Wikipedia, Luftfahrttechnisches Museum Rechlin

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