Beelitz Heilstätten – meine erste UrbanEx Tour6 min Lesezeit
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Ich glaube, es war Anfang der 2000er Jahre das sich ein neues, photografisches Sujet bei mir manifestierte hat. Ich war mal wieder in Berlin unterwegs und standardmäßig gehört dazu auch immer ein Besuch auf den zahlreichen Flohmärkten der Stadt. Diesmal entdeckte ich allerdings einen Stand, ausschließlich mit Photos im Verkauf. Keine normalen Landschaftsmotive, wie man meinen möchte, sondern urbane Photographie verlassener Orte und Ruinen, u.a auch der Beelitzer Heilstätten. Meine Begeisterung war geweckt!
Beginn einer Suche
In der Folgezeit versuchte ich mich diesem Thema zu nähern. Durchstöberte zahlreiche Foren und Gallerien nach derart Bildmaterial. Und mit der Zeit erschloss sich ein ganz neues Betätigungsfeld seitens der Photographie, das sogenannte „Urban Exploration“.

Wenn man in dieses Thema einsteigt und nach geeigneten Orten sucht, ist so ziemlich eine der ersten Orte die man damit verbindet Beelitz Heilstätten. Und so sollte auch meine erste große Tour Richtung Beelitz gehen. Spätesten wenn man an die Planung einer solchen Phototour geht, werden einem auch mögliche Risiken bewußt. In den Wirren der Wendejahren waren derartige Unternehmungen wahrscheinlich gar kein Problem. Über die Jahre gingen allerdings viele dieser Objekte in Privatbesitz über. Das macht dann eine Besuch und eine Erkundung mal eben schnell zu eine illegalen Angelegenheit.
Recherche und Zufall
Da nach wie vor zahlreiche Bilder in den Foren aus Beelitz auftauchten, bemühte ich mich um Kontakte zu den Leuten, um herauszufinden wie deren Bilder entstanden sind. Mehr durch Zufall stieß ich bei einer meiner Recherchen auf eine Berliner Truppe, die genau dieses Problem zu einem Geschäftskonzept gemacht hatte. Um erst einmal einen Einstieg in diese Feld zu bekommen, entschloss ich mich, meine ersten Exkursionen mit den Jungs von „go2know“ zu machen.

Damit war das Thema Illegalität vom Tisch und man konnte sich auf die reine Photographie stürzen ohne sich ständig nach dem Wachschutz umsehen zu müssen. Deutlich entspannter konnte ich nun meinen ersten Beelitzausflug in Angriff nehmen.
Beelitz Heilstätten – Männerhaus
Mein erster Besuch ging in den Männerbereich der Lungenheilstätten. Dazu muss man wissen, das sich die Beelitzer Heilstätten in vier große Bereiche aufteilen. In zwei Bereichen nördlich der Bahnlinie entstanden die Lungenheilstätten, in den beiden südlich gelegenen Bereichen die Sanatorien zur Behandlung nicht ansteckender Krankheiten. Zudem waren die Abteilungen nach Geschlechtern getrennt. Das gesamte Gelände erstreckt sich auf ca. 200h und umfasst an die 60 Klinik- und Nebengebäude. Also reichlich Material für gute Photostrecken.

Kleiner Ausflug in die Geschichte der Beelitz Heilstätten
Das ganze Areal befindet sich südlich von Berlin. Die ersten Bauten entstanden um 1898, konzipiert als Arbeiter-Lungenheilstätten der Landesversicherungsanstalt Berlin. Es folge 1908 eine zweite Bauphase und ab 1926 ein dritte große Erweiterung bei dem die Bettenzahl nochmals auf 1200 verdoppelt wurde.
Ausschlaggebend für die Entstehung dieser Klink waren die starke Verbreitung der Tuberkulose in den damaligen Großstätten des deutschen Kaiserreiches. Die Industrialisierung konzentrierte sich zunehmend in die Ballungsgebieten. Zur Unterbringung der ganzen Zuzügler wurden in kürzester Zeit Arbeitersiedlungen hochgezogen um diesem Ansturm gerecht zu werden. Die Backsteinbauten wurden sofort nach der Fertigstellung bezogen. Die Gebäude wurden nicht ausgefroren oder hatten sonst ein Chance zu trockenen. Die ersten Mieter zogen schlicht weg in feuchte Wohnungen ein und übernahmen diesen Job.

In diesem Zusammenhang entstand auch ein – zugegeben treffendes aber dennoch schreckliches – Wort, das sogenannte „Trockenwohnen“. Genau genommen übernahmen die ersten Arbeiterfamilien das trocken wohnen zahlreicher Siedlungen im damals aufstrebenden Berlin. Dies wiederum begünstigte auch die starke Ausbreitung der Lungenkrankheit Tuberkulose.
Neben einer reinen Lungenklinik wurden die Beelitz Heilstätten auch immer wieder zum Lazarett, speziell um die Zeit des Ersten- und Zweiten Weltkrieges. Nach dem Krieg ging das gesamte Gelände in die Hand der Roten Armee über und wurde bis 1994 zum größten Militärhospital außerhalb der damaligen Sowjetunion.

Von alledem ist heute nicht mehr all zu viel zu sehen und zu merken. Über die Jahre hat auch eine erschreckende Form des Vandalismus in den Gebäuden Einzug gehalten. Auch wenn das Gelände im Privatbesitz ist, Besucher und Schaulustige gab es immer und wird es wohl auch noch eine Weile geben. Trauriger Weise halten sich die wenigsten an einen simplen Kodex beim Besuch derartiger Gelände.
„Hinterlasse nichts außer Fußspuren, nehme nichts mit außer Fotos.“
Urban Exploration Kodex
Daher bin ich Dankbar, dieses geschichtsträchtige Gelände noch in einem relativ passablen und intakten Zustand kennengelernt zu haben. Aus photographischer Sicht besticht nach wie vor der architektonischen Stil, die fälschlicherweise immer wieder mit dem Jugendstil in Verbindung gebrachten Außenformen, der den Charakter der Gebäude bestimmen. Zudem die gelungene Gesamtkonzeption, dass gesamte Areal harmonisch mit der Natur in Einklang zu bringen.

Fazit
Aus photographische wie auch aus historischer Sicht ein interessanter Hotspot der es allmal Wert ist, wahrgenommen zu werden. Wer sich also einem Teil deutscher Geschichte näher möchte und auf der Suche nach außergewöhnlichen Motiven ist, sollte sich auf nach Beelitz machen. Auch wenn ein Teil mittlerweile nicht mehr zugänglich ist, gewisse Bereich liegen noch immer brach und warten darauf, entdeckt zu werden. Es lohnt sich in jeder Hinsicht.
Großes Foyer zum Treppenhaus
Innenbereich im Männerhaus