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Beelitz Heilstätten – meine erste UrbanEx Tour

Lesestoff für 7 Minuten

Beelitz Heilstätten – meine erste UrbanEx Tour

Lesestoff für 7 Minuten
Treppenaufgang im Beelitzer Männerhaus

Ich glaube, es war Anfang der 2000er Jahre, dass sich ein neues, photographisches Sujet bei mir manifestiert hat. Ich war mal wieder in Berlin unterwegs und standardmäßig gehört dazu auch immer ein Besuch auf den zahlreichen Flohmärkten der Stadt.

Diesmal entdeckte ich allerdings einen Stand, ausschließlich mit Photos im Verkauf. Keine normalen Landschaftsmotive, wie man meinen möchte, sondern urbane Photographie verlassener Orte und Ruinen, u. a. auch der Beelitzer Heilstätten. Meine Begeisterung war geweckt!

Großer Vorsaal und Eingangsbereich zum Badesaal der Männer

Beginn einer Suche

In der Folgezeit versuchte ich mich diesem Thema zu nähern. Durchstöberte zahlreiche Foren und Galerien nach derart Bildmaterial. Und mit der Zeit erschloss sich ein ganz neues Betätigungsfeld seitens der Photographie, das sogenannte „Urban Exploration“.

Wenn man in dieses Thema einsteigt und nach geeigneten Orten sucht, ist so ziemlich eine der ersten Orte, die man damit verbindet Beelitz Heilstätten. Und so sollte auch meine erste große Tour Richtung Beelitz gehen. Spätesten, wenn man an die Planung einer solchen Phototour geht, werden einem auch mögliche Risiken bewusst.

In den Wirren der Wendejahre waren derartige Unternehmungen wahrscheinlich gar kein Problem. Über die Jahre gingen allerdings viele dieser Objekte in Privatbesitz über. Das macht dann ein Besuch und eine Erkundung mal eben schnell zu einer illegalen Angelegenheit.

Flurbereich mit ausgang auf den Balkon im Männerhaus der Beelitz Heilstätten
Ein Flur im Männerhaus mit Ausgang auf den Balkon

Recherche und Zufall

Da nach wie vor zahlreiche Bilder in den Foren aus Beelitz auftauchten, bemühte ich mich um Kontakte zu den Leuten, um herauszufinden, wie deren Bilder entstanden sind. Mehr durch Zufall stieß ich bei einer meiner Recherchen auf eine Berliner Truppe, die genau dieses Problem zu einem Geschäftskonzept gemacht hatte.

Um erst einmal einen Einstieg in dieses Feld zu bekommen, entschloss ich mich, meine ersten Exkursionen mit den Jungs von „go2know“ zu machen.

Damit war das Thema Illegalität vom Tisch und man konnte sich auf die reine Photographie stürzen, ohne sich ständig nach dem Wachschutz umsehen zu müssen. Deutlich entspannter konnte ich nun meinen ersten Beelitz-Ausflug in Angriff nehmen.

Beelitz Heilstätten – Männerhaus

Mein erster Besuch ging in den Männerbereich der Lungenheilstätten. Dazu muss man wissen, dass sich die Beelitzer Heilstätten in vier große Bereiche aufteilen.

In zwei Bereichen nördlich der Bahnlinie entstanden die Lungenheilstätten, in den beiden südlich gelegenen Bereichen die Sanatorien zur Behandlung nicht ansteckender Krankheiten.

Zudem waren die Abteilungen nach Geschlechtern getrennt. Das gesamte Gelände erstreckt sich auf ca. 200h und umfasst an die 60 Klinik- und Nebengebäude. Also reichlich Material für gute Photostrecken.

Das Eingangsportal von innen gesehen
Eingangsbereich zum Männerhaus
Badesaal im Männerbereich

Kleiner Ausflug in die Geschichte der Beelitz Heilstätten

Das ganze Areal befindet sich südlich von Berlin. Die ersten Bauten entstanden um 1898, konzipiert als Arbeiter-Lungenheilstätten der Landesversicherungsanstalt Berlin. Es folge 1908 eine zweite Bauphase und ab 1926 eine dritte große Erweiterung, bei dem die Bettenzahl nochmals auf 1200 verdoppelt wurde.

Ausschlaggebend für die Entstehung dieser Klink waren die starke Verbreitung der Tuberkulose in den damaligen Großstätten des deutschen Kaiserreiches. Die Industrialisierung konzentrierte sich zunehmend in die Ballungsgebiete. Zur Unterbringung der ganzen Zuzügler wurden in kürzester Zeit Arbeitersiedlungen hochgezogen, um diesem Ansturm gerecht zu werden.

Errichtete Backsteinbauten wurden sofort nach der Fertigstellung bezogen. Die Gebäude wurden nicht ausgefroren oder hatten sonst eine Chance zu trockenen. Die ersten Mieter zogen schlichtweg in feuchte Wohnungen ein und übernahmen diesen Job.

In diesem Zusammenhang entstand auch ein – zugegeben treffendes, aber dennoch schreckliches – Wort, das sogenannte „Trockenwohnen“. Genau genommen übernahmen die ersten Arbeiterfamilien das trocken Wohnen zahlreicher Siedlungen im damals aufstrebenden Berlin. Dies wiederum begünstigte auch die starke Ausbreitung der Lungenkrankheit Tuberkulose.

Stummer Zeitzeuge der russischen Besetzung

Neben einer reinen Lungenklinik wurden die Beelitz Heilstätten auch immer wieder zum Lazarett, speziell um die Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Nach dem Krieg ging das gesamte Gelände in die Hand der Roten Armee über und wurde bis 1994 zum größten Militärhospital außerhalb der damaligen Sowjetunion.

Von alledem ist heute nicht mehr allzu viel zu sehen und zu merken. Über die Jahre hat auch eine erschreckende Form des Vandalismus in den Gebäuden Einzug gehalten. Auch wenn das Gelände im Privatbesitz ist, Besucher und Schaulustige gab es immer und wird es wohl auch noch eine Weile geben. Traurigerweise halten sich die wenigsten an einen simplen Kodex beim Besuch derartiger Gelände.

Großes Foyer zum Treppenhaus

„Hinterlasse nichts außer Fußspuren, nehme nichts mit außer Photos.“

Urban Exploration Kodex
Beelitz Heilstätten Eingangsbereich, Waschhaus Männerseite

Daher bin ich dankbar, dieses geschichtsträchtige Gelände noch in einem relativ passablen und intakten Zustand kennengelernt zu haben. Aus photographischer Sicht besticht nach wie vor der architektonischen Stil.

Die fälschlicherweise immer wieder mit dem Jugendstil in Verbindung gebrachten Außenformen bestimmen den äußerlichen Charakter der Gebäude. Nicht zuletzt überzeugt auch die gelungene Gesamtkonzeption, das das gesamte Areal harmonisch mit der Natur in Einklang bringt.

Unterm Strich

Photographische wie auch historisch ein interessanter Hotspot, der es allemal Wert ist, in Erinnerung zu bleiben. Wer sich also einem Teil deutscher Geschichte näher möchte und auf der Suche nach außergewöhnlichen Photomotiven ist, sollte sich auf nach Beelitz machen.

Auch wenn vereinzelte Bereiche mittlerweile nicht mehr zugänglich ist, vieles liegen noch immer brach und warten darauf, entdeckt zu werden.

Es lohnt sich in jeder Hinsicht!

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