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Erinnerung an die Provence, Part2

Weniger als 1 MinuteLesestoff für Minuten

Erinnerung an die Provence, Part2

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Die Tage in der Provence vergingen wie im Flug. Ausgefüllt mit Arbeit, kleinen Ritualen und vertrauten Wegen, verschwamm allmählich das Gefühl, im Ausland zu sein. Der Ort, das Klima, die Menschen – alles wurde Teil eines neuen, stillen Alltags.

Unser kleines Hotel war mehr als nur ein Dach über dem Kopf. Es war ein Ort der Fürsorge. Jeden Morgen begrüßte uns unsere Wirtin mit einem Lächeln – und immer öfter mit einem anerkennenden Nicken, wenn wir neue französische Wörter einstreuten. Es war, als sei auch sie stolz auf unsere kleinen Fortschritte.

Inhaltsverzeichnis

Le Brusc – Ein Dorf im Halbschlaf

Le Brusc im Oktober ist ein Ort der Stille. Viele Restaurants hatten geschlossen, Cafés verwaist, selbst am Hafen war es oft ruhig. Nur unser kleines Bistro neben dem Bäcker hielt die Stellung – wie ein Leuchtturm in der Nebensaison.

Diese allgegenwärtige Leere hatte etwas Tröstliches. Der Lärm des Sommers lag weit hinter uns, und die Ruhe legte sich wie ein Schleier über die Tage. Es war, als hätte jemand die Welt auf Pause gedrückt.

Doch die Landschaft rund um Le Brusc hatte viel zu bieten. Ein markanter Punkt: das Fort de Six-Fours, hoch über der Stadt gelegen. Ursprünglich als Verteidigungsanlage gegen sarazenische Überfälle errichtet, prägt es noch immer das Stadtbild. Der Blick von dort oben – weit über Küste, Hügel und Himmel – lohnte den Aufstieg allemal.

Alte Befestigungsanlagen im Fort de Six-Fours
Alte Befestigungsanlagen im Fort de Six-Fours
Burganlage und Kirche im Fort de Six-Fours
Die Kirche im Fort de Six-Fours

Six-Fours-les-Plages – Auf den Spuren der Höhen

Auch das hügelige Umland von Six-Fours lädt zu Entdeckungstouren ein. Eine unserer Wanderungen führte uns hinauf zur Notre-Dame du Mai, einer Kapelle aus dem Jahr 1625. Sie thront auf dem höchsten Punkt der Region – 352 Meter über dem Meer.

Notre-Dame du Mai in der Abendsonne des Mittelmeeres
Die Notre-Dame du Mai in der Abenddämmerung

Von dort oben offenbart sich die ganze Weite der Provence. An klaren Tagen reicht der Blick nach Westen bis zu den Calanques bei Marseille, während sich im Osten die Îles d’Hyères aus dem Wasser heben. Im Inland breitet sich Toulon wie ein Teppich aus, eingerahmt von Hügeln, Wäldern und Wind.

Es sind Orte wie dieser, an denen einem bewusst wird, wie weit man gekommen ist – nicht nur geografisch, sondern auch innerlich. Die Entfernung zur Heimat misst sich manchmal weniger in Kilometern als in Momenten wie diesen.

Port Grimaud – Venedig der Provence

Wie schon erwähnt: Wir waren nicht zum Vergnügen in der Provence, sondern hatten hier und da berufliche Termine auf dem Plan. Einer davon führte uns für einen Tag an den Golf von Saint-Tropez – genauer gesagt nach Port Grimaud.

Früh am Morgen brachen wir auf. Die Straße wand sich durch die Hügel der Riviera, vorbei an Korkeichenhainen, die sich weit über das Land zogen. Mit den ersten Sonnenstrahlen begann der Wald zu atmen – die nächtliche Feuchtigkeit stieg dampfend aus dem Boden, legte sich wie Nebel über die Landschaft und tauchte alles in ein geheimnisvolles Licht. Eine Kulisse, die fast zu schön war, um echt zu sein.

Korkplantagen am Morgen in der Provence
Die Korkplantagen vor Saint Tropez am Morgen

Am Ende der Route tauchte Grimaud vor uns auf – ein altes Wehrdorf aus dem 11. Jahrhundert, hoch oben auf einem Hügel gelegen. Die Burg überblickt die gesamte Bucht, und unterhalb breitet sich Port Grimaud aus – eine erstaunlich weitläufige Hafenanlage, die man hier kaum vermutet hätte.

Die Burg von Grimaud
am Golf von Saint Tropez

In den 1960er-Jahren entwarf der Architekt François Spoerry dieses Projekt: eine postmoderne Stadt am Wasser, inspiriert von Venedig. Traditionelle mediterrane Bauformen, pastellfarbene Fassaden, enge Gassen, kleine Plätze. Kanäle durchziehen das Ensemble wie Adern, unzählige Brücken verbinden Häuser mit Häusern, Gärten mit Bootsanlegern. Alles wirkt wie gewachsen – dabei ist es durchdacht bis ins Detail.

In den Gassen: Cafés, Galerien, Boutiquen. Im Zentrum: der eigentliche Hafen, umgeben von diesen Wohn- und Ferienhäusern, die beinahe wirken, als würden sie aus der Lagune Venedigs stammen. Nur eben in der klareren Luft der Provence.

Saint-Tropez – Luxus, Licht und Laufsteg

Wenn man schon einmal in der Gegend ist, darf ein Abstecher nach Saint-Tropez natürlich nicht fehlen. Ein Kontrastprogramm zu unserem beschaulichen Le Brusc. Hier pulsierte das Leben. Laut, mondän, selbstverliebt.

Im Mittelpunkt: die Promenade. Eine Bühne, auf der sich der Reichtum der Welt zur Schau stellt. Luxusjachten lagen Seite an Seite, blank poliert, von Personal gewienert. Davor die Cafés, Bars und Strandclubs – voll mit Menschen, die gesehen werden wollten.

Luxusjachten an der Uferpromenade von Sain Tropez in der Provence
Luxusjachten an der Uferpromenade in Saint Tropez

Wer es sich leisten konnte – und das auch zeigen wollte – dinierte opulent an Bord. Die anderen, die „Nichtjachtbesitzer“, nahmen Platz in der ersten Reihe der Bars, nippten an roséfarbenen Drinks und taten so, als sei das Absicht.

Zwischen ihnen: ein überdimensionierter Catwalk. High Heels, Sonnenbrillen, Designerstoffe im Wind. Der neuste Pariser Chic, einmal flanierend. Alles nach dem bekannten Motto: „Sehen und gesehen werden“.

Es war interessant, das einmal mit eigenen Augen zu sehen – live, in Farbe, unter südlicher Sonne. Aber brauchen? Nein. Ein Kaffee, ein kurzer Blick auf die Jachten, ein leises Staunen. Dann zog es uns weiter – auf der Suche nach einem ganz anderen Saint-Tropez.

Die Gendarmerie National, das Alte Polizeirevier in Saint Tropez
Die Gendarmerie Nationale in Saint Tropez

Eine kultige Filmkulisse

Ich vermute, die Generationen ab den 90ern kennen sie kaum noch – die Gendarmen von Saint-Tropez. Eine Filmreihe aus den 60er- und 70er-Jahren, in der Louis de Funès als überforderter Polizist in einem kleinen Küstenstädtchen für Chaos sorgt.

Für mich waren diese Filme Teil meiner Kindheit. Daher war es etwas Besonderes, einmal das echte Gebäude zu sehen – die originale Kulisse der Gendarmerie Nationale, mitten in Saint-Tropez.

Leider war vom einstigen Charme nicht mehr viel geblieben. Und noch schlimmer: Die Fassade war übersät mit Schmierereien. Namen, Sprüche, Herzchen – „Maier, Müller, Schulze war hier.“ Eine Unsitte. Warum machen Menschen das? Ein Foto genügt doch. Aber offenbar reicht das manchen nicht. Hinterlassen wollen sie etwas – auch wenn es nur ein Kratzer ist.

Abschied von der Provence

Es waren unbeschwerte Wochen in der Provence. Aber jede Reise hat ihren Schlussakkord. Also hieß es Abschied nehmen – von der Côte d’Azur, vom Meer, vom Mistral, vom morgendlichen Kaffee im Bistro.

Für die Rückfahrt entschieden wir uns für eine andere Route – ein Abstecher zu einem Händler in Cannes stand noch auf dem Plan. So folgten wir der Küstenstraße: Cannes, Nizza, ein kurzer Blick auf Monaco, weiter nach Sanremo und schließlich hinauf nach Genua.

Blick auf Monaco
Blick auf Monaco

Hinter Genua bogen wir ab Richtung Lago di Garda, wo wir übernachteten. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Norden, über Bozen, den Brennerpass – und plötzlich stand der Sommer im Schnee. Wir, sonnenverwöhnt und in T-Shirts, froren wie Schüler auf Klassenfahrt.

Anleger in Garda am Lago di Garda

Doch zum Glück ging es bald bergab – und mit jedem Kilometer wich der Schnee, erst dem Regen, dann dem typischen Grau Norddeutschlands.

Hinter uns lag Frankreich. Vor uns: die Autobahn. Quer durch die Republik, zurück in den Alltag.

Schneefall bei einem Zwischenstop auf dem Brenner Pass
Zwischenstopp und Schneeüberraschung auf dem Brenner

Ein Ort bleibt, wenn man ihn gelebt hat

Geblieben sind die Erinnerungen. An unsere französischen Gastgeber, an das kleine Hotel du Parc in Le Brusc, an eine Côte d’Azur, die auch im Oktober Licht, Wärme und Ruhe spendete. An die Ausflüge, die Gespräche, das morgendliche Croissant mit Blick aufs Meer.

Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, glaube ich, dass wir das Land intensiver erlebt haben als viele Urlauber. Wir waren nicht nur Gäste. Wir waren ein Teil davon. Zumindest für einen Moment.

Wir haben mit den Menschen gelebt, gearbeitet, gelacht. Und das – das ist vielleicht die ehrlichste Art zu reisen.

Hier geht es zu Teil 1 ▶

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