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Die Volksheilstätte am Grabowsee

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Die Volksheilstätte am Grabowsee

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Nach den beiden Besuchen in den Beelitzer Heilstätten konnte ich mir ein sehr gutes Bild davon machen, wie derartige Anlagen aussehen. Man gewinnt auch ein Gefühl für die interessanten Motive.

Unabhängig davon, dass ich Beelitz gerne noch einmal besuchen würde, ging die Suche weiter nach spannenden Objekten. Und so rückte die Volksheilstätte am Grabowsee, nahe Oranienburg, in meinen Fokus.

Inhaltsverzeichnis

Der Grabowsee in der Abenddämmerung
Der Grabowsee bei Oranienburg in der Abenddämmerung

Tuberkulose als Motor

Wenn man sich mal generell mit den Heilstätten befasst, ist es erstaunlich, in welchem Umfang die damalige Landesversicherungsanstalt derartige Anlangen gebaut und betrieben hat. Und diese waren letztlich rein der Tuberkulose geschuldet!

Neu war um die Jahrhundertwende, dass erstmals Krankenversicherungen und Versorgungswerke als Bauherren diese monumentalen Kliniken auftraten.

Das Verwaltungsgebäude der Volksheilstätten am Grabowsee
Verwaltungshaus mit dem Speise- und Festsaal und dem Kasino

Die Tuberkulose war längst nicht nur ein medizinisches, sondern auch wirtschaftliches Problem geworden. Ein gigantischer Aufwand, um (hauptsächlich) einer Krankheit herzuwerden, Wahnsinn!

Und das alles passierte vor ca. 100 Jahren. Schaut man auf den gerade aktuellen Fall „Corona“, wiederholt sich dies alles in erschreckender Weise.

Aber zurück an den Grabowsee.

Speise- und Festsaal der Volksheilstätten am Grabowsee
Der Speise- und Festsaal

Erste Versuchsanstalt in Norddeutschland

Die Heilstätte Grabowsee wurde ursprünglich vom Roten Kreuz als Versuchseinrichtung geplant. Nach dem damaligen medizinischen Stand war man der Auffassung, Lungenerkrankungen könnten nur in wärmeren Gefilden behandelt werden.

Mit der Anlange hier im Norden sollte der Versuch unternommen werden, ob derartige Erkrankungen auch in diesen Breiten behandelbar sind. So entstand um 1896 die erste Lungenheilanstalt in Norddeutschland.

Bis ins Jahr 1900 standen ca. 200 Betten für leicht- und schwerkranke Patienten (Männer) zur Verfügung. In den Jahren des Ersten Weltkrieges wurde auch die Heilstätte Grabowsee vorübergehend zum Vereinslazarett.

In der dann folgenden Inflationszeit um 1920 herum geriet die Anstalt in wirtschaftliche Not und wurde letztlich an die Landesversicherungsanstalt Brandenburg verkauft. Ab 1926 folgen dann Erweiterungsbauten und die Bettenzahl wurde verdoppelt. 

Geplant als Heimstadt

Wirft man einen Blick auf die Grundrisse solcher Anlagen, wird schnell klar, dass diese nicht als reine „Klinik im Wald“ geplant wurden.

Sie lagen zumeist außerhalb der Großstädte in den angrenzenden Waldgebieten abseits der Zivilisation. Die Volksheilstätte Grabowsee wurde wie auch die Beelitzer Heilstätten als eine kleine autarke Stadt geplant.

Das Südgebäude der Volksheilstätten am Grabowsee
Südgebäude Bettenhaus mit ehemals überdachten Terrassen

Es befinden sich neben den Klinik- und Verwaltungsgebäuden auch immer Gebäude für die Post, einen Metzger, ein Bäcker bis hin zum eigenen Vergnügungspark auf dem Gelände.

Zur damaligen Zeit waren diese Anlagen stilprägend. Pittoreske Klinikbauten verschmolzen mit dem umliegenden Gelände und boten so mehr eine „Heimstadt“ für die Patienten.

Hintergrund war, die Erkrankten nach einem mehrmonatigen Aufenthalt, gesund in den Wirtschaftskreislauf rückführen zu können.

Bis 1914 sind schätzungsweise 16.000 Patienten – zumeist aus der unterprivilegierten, männlichen Bevölkerungsschicht – hier behandelt worden, von denen ca. 70–80 % als geheilt an ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnten.   

In den Dächern der Volksheilstätten am Grabowsee
Auf dem Dachboden vom Speise- und Festsaal

48 Stunden

Erfahrungen aus Beelitz haben gezeigt, dass 4–5 Std. für derart riesige Gelände ein knapp bemessener Zeitraum sind. Daher entschied ich mich, hier einen längeren Aufenthalt einzuplanen.

Dasselbe dachten wohl auch die Jungs von „go2know“ und führten die sogenannte „Base“ ein. Im Grunde ein verlängerter Aufenthalt von zwei Tagen in der Anlage.

Und so kramte ich für die Tour an den Grabowsee meine Campingausrüstung raus, denn wir blieben über Nacht. Und dann ging es einen Samstag früh voll bepackt Richtung Oranienburg.

Mein Nachtlager in der Volksheilstätten am Grabowsee
Mein Nachtlager am Grabowsee

Es war wie immer eine bunte Truppe zusammengekommen, doch zuerst ging es mal daran, das Lager aufzuschlagen. Zu uns gesellten sich noch ein bunter Haufen internationaler Studenten.

Diese waren wohl in einer Art Austauschprogramm hier hergekommen und halfen dem Besitzer bei den „Aufräumarbeiten“ und konnten so im Gegenzug hier kampieren und diverse Kunstprojekte umsetzen.

Die gab es diesmal noch OnTop. Unterm Strich sollte es ein rundherum interessantes Wochenende werden.

Neben der Besichtigung des Geländes stand zudem noch eine Tunnelbesichtigung auf dem Plan. Die Hauptgebäude hier in der Anlage – so erfuhren wir – sind alle unterirdisch mit Versorgungstunnel verbunden, die noch immer begehbar waren.

Und so ging es am Samstagnachmittag auch noch in die Unterwelt der Volksheilstätten. Ein weit verzweigtes Netz aus Gängen und Tunneln erschloss sich uns bei der Tour. Highlight war mit Sicherheit ein alter Waschsalon mit seinen alten Keramikfresken. 

Relief im Tunnelbereich

Weiter galt es die Verwaltungsgebäude, das Robert-Koch-Gebäude, das Hans-Böhm-Gebäude, das Ost- und Südgebäude, Behandlungsgebäude und die ansässige Kapelle zu erkunden und zu entdecken.

Die kleine Kapelle, direkt am Grabowsee gelegen, hatte nur noch ihre Grundmauern zu bieten. Zudem befanden sich im Innenbereich zahlreiche Wandverzierungen und Bemalungen.

Und soweit ich es verstanden habe, wurden diese seinerzeit für einen großen Hollywood-Film restauriert und aufgearbeitet.

Im Behandlungsgebäude

So oder so, eine sehr interessante Kulisse, dachte sich wohl auch einer der Teilnehmer, der gleich ein Model mitgebracht hatte und ein Outdoor-Shooting in der Kapelle veranstaltete.

Eigentlich stört man ja nicht bei derart Aktivitäten, aber nicht ganz aus Eigennutz hab ich ihm ein wenig über die Schultern geschaut. 

Blick in die Kapelle

Und so ging es den ganzen Samstag ran, das Gelände und die Häuser zur Erkundung. Abends trafen wir uns alle wieder an unserer „Base“. Bei Lagerfeuerromantik und reichlich Grillfleisch herrschte ein reger Austausch über gemachte Entdeckungen und gefundene Motive.

Auch hatten wir Gelegenheit, mit den Studenten ins Gespräch zu kommen und erfuhren mehr über ihre Projekte, hier in der Anlage. 

In den Dächern der Volksheilstätten am Grabowsee
Auf dem Dachboden vom Speise- und Festsaal

Art Base Festival 2011

Am Sonntag ging es nach einem klassischen Outdoor-Frühstück wieder in die Ruinen und Häuser.

Es standen noch einige Motive auf dem Zettel, die ich am Samstag nicht mehr geschafft hatte. Zudem gab es noch einen Galeriebesuch der besonderen Art.

Das Artbase Festival auf dem Geländer der Volksheilstätten am Grabowsee
Werke der artbase 2011

Einige Jahre zuvor gastierte das „artbase Festival“ auf dem Gelände und hinterließ eine reichliche Sammlung von Streetart-Gemälden auf zahlreichen Häuserwänden. Die Veranstalter nutzen gerne diese alten Anlagen oder stillgelegte Flächen für ihre Kunstprojekte.

Das macht die Werke auch so einzigartig, da sie unter Umständen auch nur eine kurze Lebensdauer haben.

Das Artbase Festival auf dem Geländer der Volksheilstätten am Grabowsee
Werke der artbase 2011

Hier in der Volksheilstätte haben sie sich allerdings schon ein paar Jahre gehalten und bieten nach wie vor sehr interessante Photomotive.

„Streetart“ an sich ist eine sehr moderne und aussagekräftige Kunstrichtung der heutigen Zeit. Und ich liebe diese Arbeiten, begleiten sie einem doch fast immer bei urbanen Exkursionen.

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