Jeder wird mir wohl zustimmen, wenn ich behaupte, dass man ganz klassisch in den Urlaub fahren kann oder dass man ein Land auf eine andere, natürliche Art und Weise kennenlernen und erleben kann.
In meinem Fall hatte ich die wundervolle Gelegenheit, für eine Weile in Südfrankreich zu leben und zu arbeiten.
Auf der Suche nach Six-Fours-les-Plages
Also erst einmal hatte dies gar nichts mit Urlaub zu tun, denn es war bereits Ende Oktober. Es sollten eine normale fünf Tage Wochen werden, wie gehabt halt nur an der Côte d’Azur. Allerdings im „Herbst/Winter“.
Ohne eine große Ahnung, was auf mich zukommt, ging es kurzerhand mit dem Transporter Richtung Südfrankreich, genauer gesagt nach „Six-Fours-les-Plages“, nahe Toulon.
Die Hinfahrt gestaltete sich in zwei Etappen. Zwischenstopp für die erste Nacht war nahe Heidelberg. Am folgenden Tag ging es über die Grenze auf die französische Autobahn. Zuerst ein Stück weit westwärts und dann „straight to way“ gen Süden, bis nach Marseille. Und das war der wirklich einfachere Teil der Reise.
Gegen Nachmittag ging es runter von der Autobahn und wir suchten uns unseren Weg auf den kleineren Landstraßen. Je näher wir unserem Ziel kamen, umso verwirrender war die Beschilderung der Ortsnamen. Dazu sei gesagt, dass „Six-Fours-les-Plages“ sehr weitläufig ist und unser Quartier in „Le Brusc“ liegen sollte. Wie sich später herausstellte, ist „Le Brusc“ ein Stadtteil/Distrikt von „Six-Fourcs“. Muss einem ja auch mal gesagt werden!
Optimistisch und mit einigen Landkarten bewaffnet (ein Navi hatten wir leider nicht …), fanden wir aber zum späten Nachmittag unser kleines beschauliches Hotel.
Eine urige Pension im Familienbesitz
Trotz angenehmer Temperaturen um die 20C° war in den Straßen kaum die anbrechende Wintersaison zu übersehen. Die meisten Geschäfte und Bars hatten geschlossen, alles wirkte etwas verlassen, kaum eine Menschenseele auf der Straße. Das brachte insofern den Vorteil mit, dass wir unser gebuchtes Hotel für uns allein hatten.
Es lag in einer Nebenstraße, nicht unweit vom Kai entfernt. Zur Straße er unscheinbar als Hotel zu erkennen, entpuppte es sich doch als eine kleine, urige Pension im Familienbesitz.
Hinter dem Haus ein kleine überdachte Veranda, die Aussicht in einen kleine, überschaubaren Garten bot. Alles sehr rustikal gehalten, grobe Steinplatten ersetzten quadratische Fliesen, hier und da standen Blumentöpfe und inmitten der Grünfläche eine Palme, die sich leise im warmen Wind des Mittelmeeres wiegte.
Ein größerer Raum im Erdgeschoss diente als Restauration. Er erinnerte aber mehr an die „Gute Stube“ meiner Großmutter als an ein Restaurant. Eine alte Anrichte übernahm die Rolle des all morgendlichen Buffets. Und das war immer süß, was die Speisenauswahl anging.
Daran muss man sich auch erstmal gewöhnen, als doch herzhaft essender Norddeutscher! Dazu immer ein Naturjogurt, den wir glücklicherweise jeden Tag nach Geschmack mit frischen Früchten aufpeppen konnten.
Mit der Fähre zur Arbeit
Nun ging es jeden Morgen zur Arbeit, wie immer eigentlich. Die kleine Gasse runter an den Kai und dann auf die Fähre, die uns zur Marina auf die „Lle de la Tour Fondue“ brachte. Vorab aber noch einen kleinen Abstecher in die Boulangerie (frz. Bäcker).
Nach der Arbeit ging es meistens noch auf einen Espresso in ein kleines Bistro, direkt an der Promenade. Eins der Wenigen, die noch offen hatten. Der kleine Kaffee und der Blick auf das Mittelmeer lassen einen die Gelassenheit dieser Region spüren.
Dies wurde schnell zu unserer täglichen Routine und auch ein paar Brocken Französisch meistern wir auch recht flott. In den ersten Tagen merkte man doch stark, dass man als Deutscher behandelt wurde. Je mehr wir uns integrieren und bemühten, unsere Wünsche und Gedanken in Französisch zu formulieren, um so mehr akzeptierten uns die Menschen. Und das zeigte sich bei unserer Gastgeberin, wie auch beim Fährmann und dem Wirt im Bistro.
Persönlich erachte ich es als nur höflich, wenn man zumindest den Versuch unternimmt, sich den jeweiligen Gepflogenheiten anzupassen. Und dazu gehört nun auch mal die Landessprache. Es ist eigentlich arrogant anzunehmen, dass wir Deutschen überall in Deutsch zu verstehen sein müssten, da wir ja die „zahlenden Touristen“ sind.
Da wir ja außerhalb der Saison dort waren, hielt sich auch das Touristenniveau gegen null. Die Einheimischen akzeptierten auch unsere anfänglichen Versuche in Englisch nicht wirklich. Aber ein paar Wörter in der Landessprache brach bereits das Eis!
Und es klappte von Tag zu Tag besser. Bekanntlich erlernt oder begreift man ja eine Sprache am besten, wenn man sie im selbigen Land lebt und spricht. Da ist auf alle Fälle etwas dran!
Unter der Woche nahm also ein fast normales Leben sein Lauf. Die Wochenenden nutzten wir dann für Ausflüge in die benachbarten Orte. So standen ein Besuch in „Sanary-sur-Mer“, „Bandol“, „Saint-Tropez“ und natürlich „Toulon“ auf dem Zettel.
Sanary-sur-Mer – Exil der deutschen Intellektuellen
Eine der ersten Ausflüge ging in das benachbarte Sanary. Anders als in Le Bruce florierte hier noch ein wenig das Leben, was ansatzweise erahnen ließ, wie es in der Sommersaison sein muss. Wohl typisch für diese Region und die Orte ist der Hafen. Aufgereiht wie lange Perlenketten liegen die verschiedensten Boote am Kai. Man findet so ziemlich alles, vom einfachen Fischerboot bis hin zur Millionenjacht.
Direkt am Kai, entlang der ersten Bootsreihe, reihen sich die vielen Kaffee`s, kleine Geschäfte und Verkaufsstände. So ließen auch wir uns nieder und genossen bei einem Kaffee die südländische Atmosphäre.
Spätesten jetzt bemerkt man, dass hier ein ganz anderer, entspannterer Puls schlägt! Fern ab jeglicher Hektik durchstreiften wir anschließend die kleine Innenstadt. Und wie sich herausstellen sollten, befanden wir uns in der Hochburg deutscher Exilanten.
Bereits um die Jahrhundertwende entdeckten die ersten Dichter und Maler, wie André Salmon und Mouse Kisling diesen Ort und ließen sich zum Arbeiten hier nieder. In der Folgezeit folgen viele bekannte Größen diesem Beispiel.
Nach 1933, mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland, flohen und emigrierten viele deutsche Intellektuelle nach Sanary-sur-Mer. Unter ihnen die Gebrüder Mann, Bertold Brecht, Franz und Helene Hessel, Egon Erwin Kisch und weitere Größen aus Literatur und Malerei.
Vor diesem Hintergrund bekam unser Ausflug nach Sanary eine ganz eigene, geschichtsträchtige Note, die mich noch heute bewegt.
Bandol – atemberaubende Landschaft am Meer
Anders als in Sanary wurde der Ausflug nach Bandol zu einer Exkursion an eine malerische Steilküste direkt am Mittelmeer. Abseits des Ortes führten uns kleine verschlungene Pfade entlang der teils senkrecht abfallenden Steinwände. Die Küste war übersät mit subtropischer Vegetation, viel Buschwerk, Kiefern und anderen Nadelgehölzen und zwischendrin immer wieder vereinzelte Palmen.
Senkt man den Blick nach unten auf den steinigen Untergrund, hat man das Gefühl eine Wanderung durchs Hochgebirge zu machen, aber spätesten ein Rundblick bringt eine wieder an diesen sehenswerten Küstenstreifen zurück.
Wenn sich das Mittelmeer in einer fast unerschöpflichen Farbenpracht vor einem ausbreitet. Vincent van Goth bemerkte einmal zu dieser Farbenpracht:
“Das Mittelmeer hat trügerische und wechselhafte Farben. Man weiß nie genau, ist es grün oder ist es violett. Du kannst nicht mal sagen, dass es blau ist, denn im nächsten Moment schimmert es rosa oder grau.”
Vincent van Goth
Und so bleiben auch für mich letztlich die unzähligen Eindrücke dieser Landschaft und das grenzenlose Farbenspiel in Erinnerung.